Via Tomorrow consulting
ESG Einblicke
Helen Geyer, Mitarbeiterin bei Via Tomorrow
Helen Geyer
Expertin
Via Tomorrow

Helen war mehrere Jahre für verschiedene öffentliche Institutionen tätig mit einem Fokus auf Klimapolitik und Nachhaltigkeitskommunikation.

Für Via Tomorrow behält sie aktuelle politische ESG-Entwicklungen und -Anforderungen im Blick und bereitet sie verständlich und pointiert auf.

Die Wesentlichkeitsanalyse als Basis der ESG-Strategie

Mittlerweile führen fast alle börsennotierten Unternehmen regelmäßig eine sogenannte Wesentlichkeitsanalyse durch. Wir erklären, warum mehr dahinter steckt als eine kostspielige Marktforschungsbeschäftigungstherapie – und zeigen, wie ein Vorgehen aussehen kann, dass die Beteiligten weder überfordert noch den Budgetrahmen sprengt.

Eine Wesentlichkeitsanalyse bildet die Grundlage für die Entwicklung einer Nachhaltigkeitsstrategie im Unternehmen. Dafür werden die wichtigsten internen und externen Stakeholder nach ihrer Einschätzung gefragt, welche ESG-Themen für das betreffende Unternehmen besonders wichtig sind – und welche eher weniger. Drei Dimensionen sollten in einer idealtypischen Wesentlichkeitsanalyse erfasst und bewertet werden:

  • Die wichtigsten ESG-Themen für die Stakeholder [laut GRI]
  • Die wichtigsten ESG-Themen, die das Unternehmen beeinflusst [laut GRI und NFRD]
  • Die wichtigsten ESG-Themen, von denen das Unternehmen beeinflusst wird [laut NFRD]


In 4 Schritten zur fertigen Wesentlichkeitsanalyse

Ein festes Verfahren für die Durchführung einer Wesentlichkeitsanalyse hat sich zwar noch nicht etabliert. Aus den Best Practices anderer Unternehmen und diversen Rahmenwerken wie der Global Reporting Initiative (GRI) und dem Standard AA1000 lässt sich ein Ablauf in vier Schritten ableiten: 

1. Identifikation relevanter Stakeholder für die Befragung

Um Stakeholder befragen zu können, müssen diese zuerst identifiziert werden. Intern sind diese Stakeholder oft schnell gefunden: je nach Unternehmensstruktur sind das interne Gruppen wie Mitarbeiter:innen, Vorstand oder Aufsichtsrat.

Für die externe Sicht muss oft breiter gedacht werden, denn prinzipiell zählen hierzu nicht nur Kund:innen oder Investor:innen, sondern auch Lieferant:innen, NGOs, Medien oder politische Akteure. Für jede dieser Stakeholdergruppen sollte vorab intern die Relevanz festgelegt werden, denn nicht jede Gruppe ist gleich wichtig für das Unternehmen und gleichermaßen von seinen Entscheidungen betroffen. Diese Festlegung sollte von Personen im Unternehmen vorgenommen werden, die bestenfalls in unterschiedlichen Bereichen arbeiten, um ein möglichst realistisches Bild der wichtigsten externen Stakeholder zu erhalten. 

Best Practice: Das Unternehmen ZEAL stellt im aktuellen Nachhaltigkeitsbericht transparent dar, wie die wichtigsten Stakeholder bestimmt wurden. Es hat sich dabei an dem AccountAbility-Standard AA1000 orientiert. Dieser empfiehlt, Stakeholder nach den Dimensionen “Abhängigkeit”, “Verantwortung”, “Spannungen”, “Einfluss” und “unterschiedliche Perspektiven”  zu bewerten.

2. Themenfindung für die Befragung

In einem zweiten Schritt werden die relevanten Themen für die Befragungen während der Wesentlichkeitsanalyse identifiziert. Neben branchenspezifischen gesetzlichen ESG-Anforderungen und denjenigen etablierter Frameworks wie SASB oder WEF bieten sich die Themen der Wesentlichkeitsanalysen von Unternehmen aus derselben Branche als pragmatischer Ausgangspunkt an. Das Vorgehen mag einfach erscheinen – doch die Kunst besteht darin, diese Themen auch überschneidungsfrei zu definieren.

Best Practice: In ihrem Nachhaltigkeitsbericht listet die GLS Bank die Top 20 Themen auf, die während der eigenen Wesentlichkeitsanalyse als relevant angesehen wurden. In der Übersicht sind die Themen je nach Relevanz eingestuft und in die vier Felder “Kerngeschäft”, “betriebliche Ziele: Ökologie”, “betriebliche Ziele: Soziales” und “politisches und gesellschaftliches Engagement” eingeteilt.

3. Befragung der Stakeholder

Nachdem die Themen identifiziert wurden, können sie nun zur Bewertung der jeweiligen Relevanz an die festgelegten Stakeholder weitergegeben werden. Die häufigsten Erhebungs-Methoden sind (quantitative) Umfragen oder (qualitative) Interviews mit den betreffenden Stakeholder:innen. Wer noch mehr Insights im Rahmen der Analyse gewinnen möchte, kann Workshops abhalten, um Themenschwerpunkte gemeinsam zu identifizieren. Besonders die Befragung von Stakeholdern außerhalb des Unternehmens ermöglicht es, eine ganzheitliche und realistische Sicht auf die Aktivitäten des Unternehmens und deren Einflüsse auf das Umfeld zu gewinnen. Wichtige Fragen während der Bewertung sind unter anderem: Wie wichtig ist dieses Thema für unsere externen Partner:innen und Stakeholder? Wie wird das Thema innerhalb des Unternehmens bewertet? Welchen Einfluss hat es auf die Unternehmensziele?

Während der Befragung kann jedoch ein grundlegendes Problem auftreten: die Stakeholder antworten nicht oder die Antworten reichen nicht aus, um eine belastbare Datengrundlage zu schaffen. In solchen Fällen helfen Anreize – und natürlich (freundliche) Reminder. Denn ein differenziertes Bild für die Themenbewertung kann nur durch eine angemessene  Anzahl an Rückmeldungen von verschiedenen Stakeholdern erreicht werden. 

4. Auswertung der Themenbewertung und Wesentlichkeitsmatrix

Die nach der Befragung gewichteten Themen werden im letzten Schritt in eine “Wesentlichkeitsmatrix” eingetragen (s. Abbildung). In dieser Matrix kann die Themengewichtung von Stakeholdern und Unternehmen abgelesen werden. Die y-Achse markiert die Themenrelevanz der Stakeholder, und auf der x- und z-Achse kann die Priorisierung des Unternehmens abgelesen werden (aus der Inside-Out- und Outside-In-Perspektive). Im oberen rechten Quadranten ergibt sich dann die Priorisierung der Themen, die sowohl vom Unternehmen als auch den Stakeholdern als wichtig eingestuft wurden. Im Idealfall wird diese Matrix auch im Nachhaltigkeitsbericht eingefügt, sodass sich die Leser:innen ein genaues Bild von den relevanten Themen machen können. Wichtig dabei ist, dass konträre Einschätzungen zugelassen sind und eingeordnet werden sollten. Der Umgang mit Zielkonflikten ist wiederum ein guter Anknüpfungspunkt für die anschließende Ausgestaltung der Nachhaltigkeitsstrategie. Er trägt maßgeblich dazu bei, dass die eigenen Handlungen immer wieder mit den internen und externen Erwartungen verglichen werden.

Best Practice: Die Wesentlichkeitsmatrix von Rügenwalder Mühle zeigt verständlich die wesentlichsten Themen für das Unternehmen auf. Die farbliche Unterscheidung ermöglicht es, die Begriffe problemlos in die vier Bereiche “Nachhaltige Unternehmensführung”, “Umwelt”, “Wirtschaft” und “Soziales” einzuordnen. Im dazugehörigen Begleittext werden die wichtigsten Themen für das Unternehmen erneut betont.

Wesentlichkeitsmatrix ESG von Via Tomorrow
Die Graphik stellt eine exemplarische Matrix-Anordnung dar, wie eine Wesentlichkeitsmatrix im Bereich ESG azfgebaut werden kann bei Via Tomorrow

Strategische Konsequenzen

Abschließend sollten die als besonders wichtig identifizierten Themen die Basis für die Nachhaltigkeitsstrategie des Unternehmens bilden. Die Wesentlichkeitsanalyse ermöglicht es, individuelle Schwerpunkte im Umwelt-, Social- und Governance-Bereich zu identifizieren, aus denen sich anschließend konkrete strategische Maßnahmen für das Unternehmen und erste ESG-Ziele ableiten, die Unternehmen helfen, ihre ESG-Agenda in die eigene Hand zu nehmen. 

Sie möchten eine Wesentlichkeitsanalyse in Ihrem Unternehmen durchführen, die Ihre Organisation nicht überfordert? Wir finden die passende Lösung mit Ihnen – kontaktieren Sie uns gerne!

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