Via Tomorrow consulting
ESG Einblicke
Helen Geyer, Mitarbeiterin bei Via Tomorrow
Helen Geyer
Expertin
Via Tomorrow

Helen war mehrere Jahre für verschiedene öffentliche Institutionen tätig mit einem Fokus auf Klimapolitik und Nachhaltigkeitskommunikation.

Für Via Tomorrow behält sie aktuelle politische ESG-Entwicklungen und -Anforderungen im Blick und bereitet sie verständlich und pointiert auf.

ESG im Fokus: Public Sector

Eine nachhaltige Transformation betrifft uns alle: Verbraucher:innen, Unternehmen, aber auch öffentliche Betriebe, Ämter und (Hoch-)Schulen. Jede Institution, sei es privat oder staatlich, kann zu einer nachhaltigen Entwicklung beitragen und die eigenen Prozesse optimieren. Doch besonders Behörden und öffentliche Einrichtungen tun sich in dieser Hinsicht schwer, die richtigen Ansätze zu finden. Ein Guide.

Im Sommer 2021 verabschiedete die Bundesregierung das Maßnahmenprogramm “Nachhaltigkeit für die Bundesverwaltung”. Dieses Paket sieht vor, dass Bundesverwaltungen in allen Bereichen nachhaltiger werden sollen. Die Maßnahmen reichen von kleineren Anpassungen, wie dem Einsparen von Druckerpapier über Energiespar-Hinweise im Büro bis hin zu großen Veränderungen wie der Umrüstung auf Elektromobilität oder den klimaneutralen Bau von neuen Gebäuden. Begründet wird dies mit der “Vorbildfunktion der öffentlichen Hand”. Und das stimmt auch: Nicht nur Privatunternehmen sollten ihre Aktivitäten nachhaltiger gestalten, auch der öffentliche Sektor steht vor der Herausforderung, sich mit Nachhaltigkeit auf allen Ebenen auseinanderzusetzen.

Der öffentliche Sektor besteht aus dem Bund, den Ländern sowie Gemeinden und Kommunen. Daneben zählen öffentliche Unternehmen wie Stadtwerke oder Verkehrsbünde dazu. Außerdem sind Non-Profit-Organisationen, Glaubensgemeinschaften und Schulen, Hochschulen oder Universitäten Teil des öffentlichen Sektors. Und auch wenn man es oft vergisst: auch der öffentliche Sektor generiert in seiner Art und Weise zu “wirtschaften” Emissionen, u.a. durch den Energieverbrauch von großen Gebäuden, Emissionen durch Fahrzeuge oder schlichtweg das Bereitstellen von Essen in der Kantine. Unterdessen erschweren es all die unterschiedlichen Einrichtungen, die zum öffentlichen Sektor dazu zählen, allgemeingültige Lösungen und Vorschläge zu entwickeln. Trotzdem gibt es bereits einige Ansätze, die positiv zu einer nachhaltigen Entwicklung beitragen können.

Public Sector: Die relevanten ESG-Themen

Die Themenfelder für Nachhaltigkeit im öffentlichen Sektor sind angelehnt an die Themen in Unternehmen: Nachhaltigkeitsstrategie, Corporate Governance, Digitalisierung, Nachhaltige Verwaltung, Nachhaltige Beschaffung, Nachhaltige Entwicklung sowie regulatorische und rechtliche Fragen. Doch nicht für alle diese Themen gibt es ausgereifte Standards und Richtlinien, an denen sich öffentliche Unternehmen und Institutionen orientieren können.

Besonders beim Thema der nachhaltigen Beschaffung gibt es im öffentlichen Sektor bereits zahlreiche Vorgaben und Standards. Diese verschiedenen Leitlinien erschweren aber die Vergleichbarkeit, da sie jeweils einen anderen Scope aufweisen. Die Norm ISO 26000 deckt sowohl ökologische als auch soziale Aspekte ab, ist aber in der Anwendung unhandlich. Die ILO Kernarbeitsnormen fokussieren sich, wie der Name schon sagt, auf menschenwürdige Arbeitsbedingungen, lassen ökologische Faktoren allerdings komplett außen vor. Die SA8000 Norm integriert die bereits erwähnten ISO 26000 und ILO Normen, wobei hier trotzdem die ökologische Komponente fehlt. Auf der ökologischen Seite gibt es die ISO 14000 sowie die Lebenszyklusrechnung (LCC): Beide fokussieren sich auf ökologische Faktoren in der Herstellung und berücksichtigen Umweltaspekte im Produktionsprozess; dabei fehlt allerdings der soziale Blickwinkel. Und abschließend gibt es noch den UN Global Compact oder die OECD Leitsätze. Beide beinhalten soziale wie auch ökologische Faktoren in der Wertschöpfungskette, sind aber sehr allgemein gehalten und haben eher den Charakter freiwilliger Selbstverpflichtungen.

Auch einheitliche Standards zur ESG-Berichterstattung fehlen noch

Einheitliche ESG-Standards und -Rahmenwerke für den Public Sector – wie für die Privatwirtschaft von SASB, TCFD oder GRI – gibt es bisher ebenfalls noch nicht. Nur CDP arbeitet auch mit Bundesstaaten, Städten und öffentlichen Einrichtungen zusammen, um Umweltthemen im Reporting darzustellen; allerdings handelt es sich hier noch um ein Pilotprojekt, dessen Fokus vor allem auf den USA liegt. Zwar veröffentlichen in Deutschland einige Bundesländer, Städte und Kommunen bereits Nachhaltigkeitsberichte, von Einheitlichkeit ist dort aber keine Spur.

Ein Beispiel: Die Stadt Hannover teilte ihren letzten Nachhaltigkeitsbericht beispielsweise in sechs Bände auf. Band 1 ist eine Übersicht, die Bände 2-6 gehen spezifischer auf die Dimensionen Ökologie, Ökonomie, Soziales, Kultur und Good Governance ein. Die Stadt Nürnberg wiederum bezieht sich komplett auf die 17 SDGs der Vereinten Nationen und bezieht diese jeweils auf die Stadt. Der Bonner Nachhaltigkeitsbericht ist gegliedert in Wohlbefinden, Soziale Gerechtigkeit, Umweltqualität und Ressourceneffizienz sowie Wirtschaftliche Effizienz. Jeder Punkt ist nochmal unterteilt in praktische Beispiele und quantitative Daten. Und das Bundesland Baden-Württemberg veröffentlicht seit 2014 auch einen Nachhaltigkeitsbericht. Darin wird einerseits über die externen Maßnahmen der verschiedenen Ministerien, andererseits über die internen Maßnahmen innerhalb der Regierung berichtet.

Im Endeffekt wird in allen Berichten auf die eine oder andere Art über ESG gesprochen. Die Aufmachung, Strukturierung und verwendeten Kennzahlen sind jedoch so unterschiedlich, dass die Berichte schlecht bis gar nicht verglichen werden können.

Allerdings gibt es bereits erste Standardisierungs-Bemühungen bei der Strukturierung: der Rat für Nachhaltige Entwicklung (RNE) erstellte im Jahr 2021 den “Berichtsrahmen nachhaltige Kommune auf Basis des DNK”. Darin wurde beispielhaft dargestellt, an welchen Kriterien sich Kommunen für eine einheitliche Nachhaltigkeitsberichterstattung orientieren können. Dabei wird unterschieden zwischen Steuerungskriterien (z.B. Strategie, Schwerpunkte oder Finanzen) und Handlungsfeldern (z. B. Energie, Mobilität oder Wohnen und Nachhaltige Quartiere). Der damit entworfene Berichtsrahmen orientiert sich an den Kriterien des Deutschen Nachhaltigkeitskodex (DNK), der auch von vielen kleinen und mittelgroßen Unternehmen für ihre ESG-Berichterstattung verwendet wird. 

Kommt die ESG-Berichterstattungs-Pflicht auch für den öffentlichen Sektor?

Auch die EU einigte sich im vergangenen Jahr auf eine neue Richtlinie, die “Corporate Sustainability Reporting Directive”. Diese soll ab 2024 in Kraft treten. Diese Richtlinie weitet den Kreis von berichtspflichtigen Unternehmen stark aus: so sollen anstatt der aktuell etwa 11.000 nun bis zu 50.000 Unternehmen in der EU berichtspflichtig werden. Dies soll Schritt für Schritt umgesetzt werden:

  1. Ab 01. Januar 2024 sollen alle aktuell berichtspflichtigen Unternehmen (i.d.R. börsennotierte Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeiter:innen) auf die neue Richtlinie wechseln.
  2. Ab 01. Januar 2025 sollen große Unternehmen (d.h. über 250 Mitarbeiter:innen), die aktuell noch nicht berichtspflichtig sind, hinzukommen.
  3. Ab 01. Januar 2026 sollen alle börsennotierten Unternehmen berichtspflichtig werden. 

Außerdem soll die Richtlinie einen verbindlichen Standard auf europäischer Ebene schaffen, sodass eine größere Vergleichbarkeit zwischen verschiedenen wirtschaftlichen Organisationen hergestellt werden kann. Für den Public Sector bedeutet das auch eine große Herausforderung: im Zuge der EU-Reform werden zukünftig alleine in Deutschland knapp 3.000 Unternehmen im öffentlichen Sektor betroffen sein. 

Besonders im Public Sector sind die ESG-Anforderungen komplex. Wir kennen die spezifischen Herausforderungen für die verschiedenen Bereiche der öffentlichen Hand und helfen Ihnen gerne bei der Entwicklung Ihres (ersten) Nachhaltigkeits-Reportings – nehmen Sie gerne Kontakt auf!

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