Das E-Commerce boomt weiterhin und verdrängt zunehmend klassische Verkaufsgeschäfte. Doch mit den neuen Online-Verkäufern kommen auch neue Probleme: CO2-intensiver Versand, Datensicherheitsbedenken, undurchsichtige Lieferketten – wie reagieren E-Commerce-Unternehmen darauf?
Bei Deutschlands großen börsennotierten E-Commerce-Unternehmen sieht auf den ersten Blick alles ganz sauber aus. 2020 hat Zalando selbst 9.621t CO2 verbraucht, Delivery Hero 4.377t und About You sogar nur 371t (jeweils Scope-1- und Scope-2-Emissionen) – gemessen am jeweiligen Umsatz jeweils sehr wenig.
Doch das dicke Ende lauert bei den indirekten CO2-Emissionen, die aus der vor- und nachgelagerten Wertschöpfungskette kommen (Scope 3): 2020 waren es 39.706t CO2 bei About You (98,6% aller CO2-Emissionen), 278.361t bei Delivery Hero (98,5%) und ganze 4.510.094t CO2 bei Zalando (99,8%), die ihre indirekten CO2-Emissionen besonders breit erfassen.
Ein hoher Anteil an CO2-Emissionen in der Wertschöpfungskette ist für die meisten Branchen normal. Doch im Bereich E-Commerce ist der Anteil besonders hoch. Der Grund ist zunächst simpel: der eigene CO2-Footprint fällt vergleichsweise niedrig aus, denn Online-Shops können mit deutlich weniger Ressourcen-Einsatz betrieben werden als physische Läden oder eigene Produktionsstätten. E-Commerce-Unternehmen selbst sind daher (in klimatischer Hinsicht) eher kleine Durchlauferhitzer – die jedoch an der wichtigsten Schnittstelle sitzen, um Einfluss auf die gesamte Wertschöpfungskette zu nehmen.
E-Commerce: Eine Branche im (ESG-)Wandel?
Ein großer Hebel für alle E-Commerce-Unternehmen, die physische Produkte verkaufen: der Versand der Ware. Jede fehlgeschlagene Lieferung und jede Rücksendung sorgt für vermeidbare Emissionen. Insbesondere die Retouren sind dabei bereits ins Visier der Politik geraten: So wurde 2020 in Deutschland das Kreislaufwirtschaftsgesetz um Vorgaben zur sog. Obhutspflicht für Onlinehändler erweitert. Im Klartext: Seither ist es verboten, dass selbst neuwertige Waren aus Rücksendungen – nur weil es günstiger ist – einfach vernichtet werden.
Den Druck, nachhaltiger zu werden, spüren dabei insbesondere E-Commerce-Unternehmen aus dem B2C-Modebereich. Getrieben von aufstrebenden Investorenlieblingen wie dem litauischen E-Commerce-Einhorn Vinted, einer C2C-Plattform für Second-Hand-Kleidung, setzen auch etablierte Online-Händler wie About You und Zalando mit Angeboten wie About You Second Love und Zalando Zircle verstärkt auf Second-Hand-Angebote Damit erschließen sie zum einen neue preis- und sensible Kundengruppen, die preis- als auch klimasensibel sind – und zum anderen können die Unternehmen zurückgeschickte Ware wieder auf dem eigenen Second-Hand-Marktplatz verkaufen und damit im Idealfall noch etwas Geld verdienen.
Gleichzeitig sind solche Angebote für die Anbieter aber auch ein zweischneidiges Schwert: Unternehmen wie About You und Zalando können sie dazu nutzen, ihren Beitrag zur Kreislaufwirtschaft zu zeigen und sich damit auch für künftige EU-Nachhaltigkeits-Kriterien zu positionieren. Allerdings besteht das Risiko, das eigentliche, lukrativere Geschäft mit Neuware ein Stück weit zu kannibalisieren.
E-Commerce: Das sind die relevanten ESG-Kriterien
Neben den Warenlieferungen sind aber noch zahlreiche weitere ESG-Themen für E-Commerce-Unternehmen relevant: So zählt der ESG-Standard SASB im Umweltbereich noch das Energie- und Wasser-Management zu den wichtigen Themen aus Investorensicht.
Im Sozialbereich stehen vor allem Mitarbeiterthemen im Vordergrund. Für schnell wachsende E-Commerce-Unternehmen kommt es hierbei darauf an, neue Mitarbeiter effektiv anzuwerben und bestehende Mitarbeiter möglichst zu halten, was sich z.B. in einer niedrigen Fluktuationsquote und hoher Mitarbeiterzufriedenheit ausdrücken lässt.
Und – last but not least – spielen natürlich Datenschutz- und Datensicherheitsthemen eine hervorgehobene Rolle. Hier müssen im E-Commerce tätige Unternehmen überzeugende Antworten auf Fragen finden wie: Werden Kundendaten an Dritte verkauft? Inwiefern werden Kundendaten für Werbezwecke verwendet? Wie wird professioneller Datendiebstahl verhindert?
Ein Blick in die Zukunft: Das Lieferkettengesetz
Und bei den erwähnten ESG-Anforderungen wird es nicht bleiben. Eine gesetzliche Initiative in Deutschland, die insbesondere E-Commerce-Unternehmen mit langen Lieferketten betrifft, ist das Lieferkettengesetz.
Ziel des Gesetzes ist es, die Menschenrechte besser zu schützen und insbesondere Kinder- und Zwangsarbeit zu verhindern. Dafür werden in Deutschland ab 2023 alle Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbeitern, und ab 2024 alle Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern in die Pflicht genommen, ein ausführliches Lieferketten-Risikomanagement einzurichten. Das bedeutet: eine detaillierte Risikoanalyse, ein funktionierender Beschwerdemechanismus und ein umfassendes Reporting über die Lieferkette.
Anfang 2022 hat die EU-Kommission darüber hinaus ein EU-Lieferkettengesetz vorgestellt, das noch weiter geht: Es soll bereits Unternehmen ab 500 Mitarbeitern betreffen und sieht eine Überprüfung der gesamten Lieferkette vor und nicht nur – wie in Deutschland – der direkten Tier-1-Zulieferer.
Bis zur Verabschiedung dieses erarbeiteten EU-weiten Gesetzes wird es zwar noch etwas dauern. Doch klar ist, dass auf E-Commerce-Unternehmen wie Zalando oder About You, die als Mode-Spezialisten über besonders tiefe und teils komplexe Lieferketten verfügen, zukünftig deutlich schärfere ESG-Vorgaben zukommen. Es bleibt spannend, wie die historisch schlanke E-Commerce-Branche auf die Herausforderungen reagiert.
Alle E-Commerce-Unternehmen müssen ESG-Anforderungen aus zwei Welten erfüllen. Zum einen diejenigen, die für ihr eigentliches Geschäftsmodell gelten: dem Verkauf einer bestimmten Ware oder Dienstleistung. Und zum anderen diejenigen, die aus ihrem online-basierten Verkaufssystem resultieren.
Wir kennen die spezifischen Herausforderungen für verschiedene E-Commerce-Bereiche: Treten Sie in Kontakt!